„Der vergangene Woche vorgestellte WHO-Weltbehindertenbericht sollte aufrütteln und die nationalen Aktionspläne für behindertenpolitische Maßnahmen vorantreiben“, resümiert Dr. Klaus Voget, ÖAR/ÖZIV Präsident, in einer ersten Reaktion über die Studie.
Der Bericht, an dessen Erstellung bekanntlich über 370 Personen aus 74 Ländern – darunter viele selbst behinderte Menschen – beteiligt waren, listet – global betrachtet -Armut als Ursache für Behinderung, aber auch als Folge von Behinderung auf. Der uneingeschränkte Zugang zur Bildung und eine inklusive Lebenswelt sind globale Forderungen. Menschen mit Behinderungen sind keine Randgruppe mehr – ihre Zahl wird auf weltweit rund eine Milliarde geschätzt.
Dass Armut nicht ein Phänomen der Entwicklungsländer ist, sondern immer mehr auch in Österreich eine Folge von Behinderung ist, zeigen die laufend bei der ÖAR einlangenden Hilferufe von Menschen mit Behinderungen: Eine Frau aus Niederösterreich weiß bald nicht mehr, wie sie alle aufgrund ihrer Querschnittslähmung notwendigen Hilfsmittel bezahlen soll, da die sukzessiven Leistungskürzungen über die Jahre ihre Zusatzkosten bedrohlich ansteigen haben lassen. Ein ebenfalls in Niederösterreich ansässiger Mann versucht verzweifelt, eine 24-Stunden-Pflege für seinen schwer behinderten Sohn zu finden und schilderte im Schreiben an die ÖAR seinen Spießrutenlauf bei zuständigen Ämtern, bis er endlich einen entsprechenden Pflegedienst auftreiben konnte. Hätte dieser Pflegedienst, der als Ersatz für seine verunfallte Frau für etwa zwei Monate gesucht worden war, nicht gefunden werden können, so hätte es höchstwahrscheinlich zwei Alternativen gegeben: Entweder die Einweisung in ein Heim für den Sohn – in diesem Fall wären dem Staat beträchtliche Mehrkosten erwachsen – oder der Vater hätte sich selbst um die Pflege seines Kindes gekümmert, was aber den Verlust des Familieneinkommens und damit den ersten Schritt in Richtung Armut bedeutet hätte.
Klaus Voget fasst zusammen: „Die entscheidenden Schlüsse aus dem WHO-Weltbehindertenbericht müssen sein, dass behinderte Menschen keine zu vernachlässigende Randgruppe mehr sind, sondern dass ihre Zahl parallel zum Bevölkerungswachstum sowie zur zunehmenden Überalterung der Gesellschaft anwächst. Erst der vollständige, selbstverständliche und lückenlose Einschluss dieser Personengruppe in alle sozial- und gesellschaftspolitischen Maßnahmen wird der entscheidende Indikator für Armutsvermeidung und –bekämpfung sein!“
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Quelle: ÖAR - Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs
AutorIn: ÖAR - Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
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