Die Personalsituation im Pflegebereich ist problematisch, daran gibt es keine Zweifel. Wenig wird jedoch darüber gesprochen, wie sehr der Personalmangel auch die Menschen betrifft, die auf Pflege angewiesen sind. Die Volksanwaltschaft spricht von „schweren Menschenrechtsverletzungen“ in vielen Pflegeeinrichtungen.
Der Pflegenotstand ist real und wird auf immer mehr Ebenen deutlich. Eine Problematik, die bisher wenig thematisiert wurde: Der Personalmangel im Pflegebereich bringt nicht nur die Beschäftigten an ihre Grenzen, sondern macht es auch schwer, eine menschenwürdige Betreuung der zu Pflegenden sicherzustellen. “Steht das Personal unter Zeitdruck, steigt das Risiko für Menschenrechtsverletzungen, weil nur noch das Notwendigste erledigt werden kann“, so der Volksanwalt Bernhard Achitz.
Mangelndes Pflegepersonal führt zu menschenunwürdigen Bedingungen
Fakt ist: Immer mehr Menschen mit Pflegebedarf müssen von immer weniger Pflegepersonal betreut werden. Unter derartigen Voraussetzungen ist es schwierig bis unmöglich, eine ganzheitliche, aktivierende und integrierte Pflege und Betreuung zu bieten – selbst wenn das Pflegepersonal mit großem Einsatz daran arbeitet. Die von der Volksanwaltschaft zuletzt durchgeführten Kontrollen in Pflege- und Betreuungseinrichtungen offenbaren ein alarmierendes Bild: Immer wieder kommt es zu menschenrechtsverletztenden Maßnahmen wie Ruhigstellung durch Medikamente, Einsperren, Freiheitsentzug durch schwer zu öffnende Türen oder Liftsperren, Mangelernährung oder Dehydration, Abendessen schon am Nachmittag, vorzeitige Nachtruhe oder fehlende Beschäftigungsangebote.
„Es gibt kaum ein Pflegeheim, wo wir keine Beanstandungen haben“
Bereits vor vier Jahren wies die Volksanwaltschaft auf “schwere Menschenrechtsverletzungen” aufgrund von Personalmangel hin und forderte daher dringenden Handlungsbedarf seitens der Politik. Trotz einiger Einzelmaßnahmen, wie der Pflegeprämie, hat sich die Lage weiter verschärft. „Die Volksanwaltschaft kontrolliert jedes Jahr hunderte Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige oder Menschen mit Behinderung leben – und regelmäßig stoßen wir dabei auf Menschenrechtsverletzungen“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz. In zwei Drittel der durchgeführten Kontrollen wurden menschenunwürdige Bedingungen festgestellt.
Ausbildungsanreize zu wenig: Es braucht motivierende Arbeitsbedingungen.
Für eine wirkliche Reform des Pflegesystems braucht es eben nicht nur Ausbildungsmöglichkeiten, sondern vor allem gesunde und faire Arbeitsbedingungen, die menschenwürdige Lebensbedingungen in Pflegeeinrichtungen möglich machen. Hier geht es nicht nur darum, schwere Verfehlungen wie Einsperren oder Übermedikamentieren von Heimbewohner:innen zu vermeiden, sondern um “das Recht auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben, das bedeutet auch, zum Beispiel selbst entscheiden zu können, wann sie abendessen, wann sie duschen und wann sie schlafen gehen.” Dafür ist zweifellos mehr Personal notwendig. Auch mehr Fortbildungen sind erforderlich, etwa zu Gewalt und Deeskalationsmanagement.
„Klar ist: Menschenrechtsverletzungen müssen sofort beseitigt werden“, fordert Achitz. „Ausreichende finanzielle Mittel und entsprechend qualifiziertes Personal sind der Schlüssel für menschenwürdige Bedingungen.”
Quellen
Volksanwaltschaft via OTS | 28.02.2024
Pflege: Menschenwürdige Lebensbedingungen nur mit motivierenden Arbeitsbedingungen
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20240228_OTS0056
Anfrage der Volksanwaltschaft an das Bundesministerium für Soziales
Pflegenotstand führt zu „schweren Menschenrechtsverletzungen”
https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/J/11095/fname_1448449.pdf
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 10.03.2024
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, News
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